„Jetzt haben wir wieder viele naturnahe Gewässerabschnitte, aber es gibt dort kaum noch Fische“, ist das wehmütige Fazit von Dietrich Roese, Präsident des Landesanglerverbands Thüringen e.V. (LAVT) auf der Fachtagung zum Thema Kormoran am 21. Oktober 2017 in Erfurt. 

 

Roese

In sechs Fachvorträgen wurde über die aktuelle Situation zum Kormoran und dessen Einfluss auf die heimische Fischfauna in Deutschland berichtet. Dabei zeichnete sich landauf, landab das gleiche Bild ab. Die Kormoranbestände nehmen weiter zu und die Fischbestände weiter ab. Der übertriebene Schutz einer einzelnen Vogelart zeigt fatale Auswirkungen auf den Fischartenschutz und die Gewässerökosysteme insgesamt. Seit über 20 Jahren machen die Angler und Fischer nunmehr auf die fatalen Auswirkungen des übermäßigen Schutzes der Kormorane auf die heimischen Fischbestände in Europa aufmerksam.

Bestände nehmen weiter zu

20171021 Fachtagung Kormoran 0007800pxDie wiederholte Vorhersage von Naturschutzverbänden und Politik der letzten 20 Jahre: „die Kormoranbestände hätten nun ein natürliches Plateau erreicht“ wird von den aktuellen Studien erneut wiederlegt. Dr. Voker Guthörl: „Die Arealexpansion ist noch nicht abgeschlossen“. Dr. Helmut Winkler von der Universität Rostock berichtet über die Bestandsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern. Nach einer zwischenzeitlichen Bestandsstagnation auf hohem Niveau hat der Bestand einen neuen Spitzenwert erreicht. „Allen Voraussagen nach wird dieser Spitzenwert im laufenden Jahr erneut übertroffen“, so Winkler.

Instrumente zur Bestandsregulierung sind ein „stumpfes Schwert“

Dr. Sebastian HaflandDie bestehenden Instrumente zur Bestandregulierung erweisen sich dabei in der Praxis als stumpfes Schwert. Die so genannten „Kormoranverordnungen“ werden in jedem Bundesland anders ausgelegt und laufen dem Problem hinterher. In den meisten Bundesländern expandieren die Bestände in Naturschutzgebieten. Dort ist die Bestandsregulierung nur mit Einzelverfügungen möglich, welche in der Praxis selten gewährt werden. Dr. Sebastian Hanfland vom Landesfischereiverband Bayern berichtet von den enormen Anstrengungen im Zusammenhang mit effektiven Vergrämungsmaßnahmen. Dabei sind sich die Anwesenden einig, dass die Probleme damit im Grunde nur verschoben werden. „Es kostet viel Zeit und Geld Kormorane zu vergrämen und letztendlich fliegen die meisten nur in ein anderes Gebiet. Das Problem wird im Grunde nur verschoben.“

Fatale Folgen für Fischfauna und Gewässerökosysteme

Timo SeufertTimo Seufert vom BFS Frankfurt am Main berichtet in seinem Vortrag „Wenn trophische Störungen Strukturgüte schlägt“ über die paradoxen Folgen. Ein Qualitätsindikator der Wasser-Rahmenrichtlinie (WRRL) ist die Fischfauna in dem jeweiligen Gewässerabschnitt. So erhalten Gewässerabschnitte in Ortslage im Rahmen der WRRL bessere Bewertungen, als naturnahe Gewässerabschnitte Abseits von Siedlungsgebieten. „In Siedlungsgebieten, also Gewässerabschnitten in Ortslage gibt es weniger Frassdruck durch Kormorane. Somit bekommen diese Gebiete eine bessere fischereiliche Bewertung, obwohl die Gewässerstrukturgüte schlecht ist. Die Zahl der Kleinfische (Groppen und Schmerlen) hat deutlich zugenommen, die Leitfischarten für den jeweiligen Gewässerabschnitt sind kaum noch vorhanden“, so Seufert.

Das Ökosystem Fluss droht stellenweise zu kippen

Da die typischen Fischarten in dem jeweiligen Flussabschnitt ihr ökologische Aufgabe nicht mehr erfüllen, verschlechtern sich die Wasserwerte und das Ökosystem droht zu kippen. „Die typischen Fischarten, wie Nasen und Barben sind so genannte Weidegänger. Sie weiden die Algen am Gewässergrund ab und lagern die Sohle um. Nasen und Barben leisten einen hohen Beitrag zur Selbstreinigungskraft des Gewässers. In der Folge haben sich die Wasserwerte an der Nister dramatisch verschlechtert und das Ökosystem droht zu kippen“.

Jens GörlachDiplomfischereiingenieur Jens Görlach stellt in seinem Vortrag „Einfluss des Kormorans auf die Fischbestände in Thüringen“ aktuelle Ergebnisse der Bestandserfassung und Auswertung in verschiedenen Thüringer Gewässern vor. Überall das gleiche Bild. Viele Kleinfische, Fische im Nahrungsspektrum des Kormorans fehlen fast vollständig und wenige einzelne Exemplare, die zu groß sind, als dass sie durch Kormorane gefressen werden können.
Alle Referenten verdeutlichen dabei, dass dokumentierte Defizite in der Fischbesiedlung ausdrücklich nicht auf strukturelle Defizite im Gewässer zurückzuführen sind.