„Verantwortung für Deutschland“ – Neue Regierung, neue Impulse
Nur sechs Wochen nach der Bundestagswahl haben CDU/CSU und SPD am 9. April 2025 ihren Koalitionsvertrag vorgestellt – ein beachtliches politisches Tempo. Auf 144 Seiten skizziert die neue Regierungskoalition ihre Vorhaben für die kommenden vier Jahre. Auch für die Angelfischerei bringt dieser Vertrag neue Rahmenbedingungen mit sich – mit Chancen, aber auch mit Herausforderungen.
Anerkennung bleibt aus – dennoch bleibt Angelfischerei wichtiges Thema
Im Vergleich zum letzten Koalitionsvertrag fällt auf, dass die Angelfischerei dieses Mal nicht ausdrücklich erwähnt wird. Das ist bedauerlich, denn eine solche Anerkennung hätte dem gesellschaftlichen und ökologischen Beitrag der Anglerinnen und Angler erneut Rechnung getragen. Dennoch: Die politischen Gespräche der letzten Wochen haben gezeigt, dass das Interesse an unseren Themen vorhanden ist – und wir werden diesen Dialog aktiv fortsetzen.
Angelfischerei in Fischerei-Kommissionen berücksichtigt
Besonders begrüßenswert ist das klare Bekenntnis zur Zukunftskommission Fischerei und zur Leitbildkommission Ostseefischerei. Dass die neue Regierung die Arbeit der Gremien unterstützt und umsetzen möchte, ist ein wichtiges Signal für fachlich fundierte und langfristig angelegte Politik. Diese Kontinuität ermöglicht es, bewährte Ansätze fortzuführen – auch im Sinne der Angelfischerei.
Windenergie-auf-See-Gesetz: Fördermittel wieder verfügbar
Ein positives Signal sendet der Koalitionsvertrag im Hinblick auf die Finanzierung im Rahmen des Windenergie-auf-See-Gesetzes. Die ursprünglich vorgesehenen Mittel für die Fischerei, sollen weiterhin zur Verfügung stehen. Auch wenn diese in erster Linie für die Berufsfischerei vorgesehen sind, sind auch Projekte aus der Angelfischerei förderfähig. Wir hatten bereits im letzten Jahr die Chance genutzt und ein Projekt mit dem Thünen Institut in Rostock und dem Helmholz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig eingebracht.
Kormoran-Thematik: Weiterhin auf der Agenda
Obwohl das Thema „Kormoranschäden durch Fraßdruck“ nicht im Koalitionsvertrag auftaucht, bleibt es ein wichtiges Anliegen für viele Anglerinnen und Angler. Die CDU/CSU hatte das Thema im Wahlkampf prominent platziert. Nun gilt es, auch in Regierungsverantwortung an diese Positionen anzuknüpfen. Der DAFV wird das Gespräch mit engagierten Abgeordneten fortsetzen und die wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung weiter vorantreiben.
Pflanzenschutz & Ostsee-Schutz: Ausgewogene Lösungen gefragt
Die geplanten Reformen beim Pflanzenschutz und der behördlichen Zusammenarbeit zielen auf mehr Effizienz und wissenschaftlich fundierte Entscheidungen. Gleichzeitig bleiben hohe Umweltstandards, etwa beim Schutz der Ostsee, unverzichtbar. Hier sind ausgewogene Lösungen gefragt – und die Regierung setzt auf eine enge Einbindung aller relevanten Akteure.
Floating-PV und Doppelnutzung: Innovation mit Augenmaß
Die neue Regierung bekennt sich zur Doppelnutzung von Flächen, etwa durch schwimmende Photovoltaikanlagen. Der DAFV begrüßt grundsätzlich innovative Ansätze zur Energiewende, mahnt jedoch eine sorgfältige Prüfung der ökologischen Auswirkungen an. Gerade in empfindlichen Gewässerökosystemen ist ein maßvoller Umgang entscheidend, um Artenvielfalt und Gewässerschutz nicht zu gefährden.
Bürokratieabbau und Umweltprüfungen: Effizienz ja – aber nicht um jeden Preis
Die angekündigte Vereinfachung von Genehmigungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfungen ist verständlich – darf jedoch nicht zu Lasten des Natur- und Gewässerschutzes gehen. Auch das Verbandsklagerecht muss als Instrument des demokratischen Rechtsstaats erhalten bleiben. Es bietet Naturschutz- und Umweltverbänden die Möglichkeit, konstruktiv mitzuwirken.
Wasserkraft: Nutzungspotenziale versus Gewässerschutz
Im Bereich Wasserkraft bekennt sich die neue Regierung zur Nutzung bestehender Potenziale leider auch mit Blick auf die „kleine Wasserkraft“. Der DAFV wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass insbesondere bei kleinen Wasserkraftwerken der ökologische Nutzen sorgfältig gegen die Auswirkungen auf Wanderfische und Fließgewässer abgewogen wird. Ziel bleibt eine naturverträgliche Energiepolitik, die Raum für Renaturierung lässt.
Renaturierung und Biodiversität – Umsetzung soll praxistauglich gestaltet werden
Das europäische Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law, kurz NRL) sowie die Umsetzung der Europäischen Biodiversitätsstrategie 2030 sollen laut Koalitionsvertrag in den kommenden Jahren weiter vorangebracht werden. CDU/CSU und SPD haben sich darauf verständigt, die Umsetzung eng mit Landbewirtschaftern und Eigentümern abzustimmen. Ziel ist es, Maßnahmen so zu gestalten, dass sie praxistauglich sind und tatsächlich Wirkung entfalten können.
Diese Haltung unterstreicht den Willen beider Parteien, die Umsetzung der europäischen und nationalen Renaturierungsziele im Dialog mit den betroffenen Akteuren konstruktiv zu begleiten. Gerade vor dem Hintergrund der kontroversen Diskussionen der vergangenen Monate – etwa um unklare Zuständigkeiten und fehlende Vorgaben – ist das ein wichtiges Signal.
Besonders deutlich wurde die Unsicherheit im Fall Brandenburg, das die Umsetzung des NRL aufgrund fehlender Konkretisierungen bereits öffentlichkeitswirksam ausgesetzt hat (→ [Link zur Pressemitteilung von Gregor Beyer]).
Der DAFV erwartet nun von Bund und Ländern einen klar strukturierten und praxisgerechten Fahrplan, der die Rolle der Länder bei der Umsetzung der Renaturierungsmaßnahmen definiert und realistische Vorgaben macht. Nur so können ökologische Zielsetzungen mit den Anforderungen der Fläche sinnvoll in Einklang gebracht werden.
Wir begrüßen es ausdrücklich, dass der Koalitionsvertrag mit seinem Bekenntnis zur Arbeit der Zukunfts- und Leitbildkommission die Angelfischerei nicht nur als beliebte Freizeitbeschäftigung anerkennt, sondern auch ihren wichtigen Beitrag für Gesellschaft, Wirtschaft sowie Natur- und Umweltschutz in Deutschland würdigt.
Mit großer Sorge sehen wir jedoch, dass der angestrebte Ausbau der Wasserkraft in Verbindung mit beschleunigten Genehmigungsverfahren einen Rückschritt für den Gewässer- und Artenschutz darstellt.
Fazit: Wichtige Aufgaben – und viele Möglichkeiten zur Mitgestaltung
Der Koalitionsvertrag 2025 bietet – trotz mancher Enttäuschung – auch neue Chancen für die Angelfischerei. Viele Themen bleiben offen, was gleichzeitig Raum für Engagement, Mitsprache und Einflussnahme lässt. Der DAFV wird in den kommenden Jahren mit Nachdruck daran arbeiten, die Interessen der Anglerinnen und Angler sichtbar zu machen, konstruktiv zu begleiten und wo nötig auch kritisch zu hinterfragen.